China-Aufenthalt 2012
Zeitraum: 15. Juli - 17. August
Lokation: Beijing (2,5 Tage), Dengfeng (26 Tage), Hongkong (4,5 Tage)
Mit wem: Steffen, Falko, Peter und Marco
Wer hätte das gedacht ...
6 Jahre, nachdem ich dem "Xiao Long Wu Yuan" in Zhengzhou (Henan Provinz) den Rücken gekehrt und im Stillen dachte: "Irre Training und super Zeit, aber in eine solche Trainingsfestung bekommt mich keiner mehr..." fand ich mich dieses Jahr ausgerechnet dort wieder.
- Die Hauptschule des "Xiao Long Wu Yuan" in dem Martial Art Dörfchen Dengfeng (Henan Provinz - Shaolin Tempel) -
Wie konnte es soweit kommen ...
fragte ich mich und ließ die letzten Jahre mit meinen verschiedenen Trainingsaufenthalten Revue passieren. Irgendwie hatte ich es geschafft mich erfolgreich um die ganz großen überlaufenen Schulen des Shaolin-Kung Fu vorbei zu schlängeln. Sogar soweit, dass ich in einer kleinen Schule Zutritt erlangte und hier, von einem chinesischen Großmeister des traditionellen Shaolin-Kung Fu, persönlich unterrichtet zu werden. Shi De Cheng, zeigte mir nicht nur die Unterschiede zwischen dem neumodischen Wushu (mit starken akrobatischen Elementen) und dem traditionellen Shaolin-Kung Fu (stark anwendungsbezogen), sondern gab mir bei allen weiteren Trainingsreisen ein Zuhause, um mich weiter als sein Schüler zu unterrichten und das gelernte zu vertiefen.
So sollte es auch dieses Jahr sein, nur fand ich mich diesmal anstelle einer kleinen gemütlichen Schule am Rande von Dengfeng, in dem bereits genannten Trainingskomplex, mit der mir so bekannten Aufschrift wieder. (Aus mir unbekannten Gründen, musste sich mein Shifu hier vorrübergehend Niederlassen um eine "Schule in der Schule" zu eröffnen ...)
Nach der anfänglichen überschwänglichen Wiedersehensfreude mit Shifu Shi De Cheng und seinen Jiaolian's (Trainern) ließen wir, meine drei Reisebegleiter Marco, Steffen, Falko und ich, eine Führung durch das Trainingsareal über uns ergehen und wurden von der Größe der Schule wieder einmal erschlagen. (An dieser Stelle ist zu bemerken, dass wir bereits eine beachtliche Zeit zusammen in China trainiert hatten, und Falko unser kleiner China-Neuling war.) Leider war dieses Jahr nichts von der viel umschwärmten Abgeschiedenheit zu sehen, wie ich sie in Erinnerung aus den Vorjahren hatte und so war es dann doch beruhigend zu wissen, dass unser Training am Rande und getrennt von der Hauptschule, statt finden wird. Somit hatten wir keine Berührungspunkte, abgesehen von den Malzeiten in der Mensa, mit der Hauptschule des "Xiao Long Wu Yuan" in der hauptsächlich Wushu unterrichtet wird.
Das Training ...
lässt sich wie gewohnt in drei große Blöcke unterteilen. Vormittags, Nachmittags und Abends. In der Regel bestand ein Trainingstag aus mindestens 5 Stunden Training am Tag. 2,5 Stunden am Vormittag und 2,5 am Nachmittag. Diese Stunden wurden als Pflicht angesehen und konnten nach Belieben auf 7-8 Stunden freiwilligen Trainings ausgedehnt werden. Morgendliches Konditionstraining, Wiederholung in der 4 stündigen Mittagspause und Sondertraining am Abend nach dem Abendessen. Dazu muss gesagt werden, bei im Schnitt 30-33 Grad im Schatten mit 75%iger Luftfeuchte und einer Trainingsdauer von nur 1 Monat, braucht es allein für die Umstellung des Körpers ein bis zwei Wochen. Nur um dann festzustellen, dass man jetzt einen halben anstatt zwei Liter Wasser ausschwitzt...Von dem langsam abklingenden Muskelkater mal ganz zu schweigen...der ließ die ersten 20 Minuten einer jede Trainingseinheit zu einer besonderen Erlebnis werden. Geäußert hat sich das in dem immer wieder neu aufkeimendem Gefühl "...komisch gestern kam ich doch noch viel tiefer beim Dehnen?!" und "...wieso sind meine Arme auf einmal so kurz? Kam doch Gestern noch viel tiefer, als nur bis zum Knie?!"
Die Trainingsinhalte ...
konnten wir anfänglich selbst bestimmen, bzw. in welche Richtung wir uns bewegen wollten. Zur Auswahl standen traditionelles Shaolin Kung Fu, Chen Taiji und Sanda.
Wir hatten uns anfänglich alle zusammen dem Kung Fuverschrieben und hatten so das Vergnügen vier Wochen lang nebeneinander zu kämpfen und zu schwitzen...nein das wäre noch zu wenig Nass! Aber was ist noch schnell der Superlativ von schwitzen?? Hmm...Egal!
So bestand eine Trainingseinheit steht's aus den 18 Basis-Bewegungsabläufen des Shaolin Kung Fu und nahm dann an Intensität und Komplexität zu. Weiter wurden dann Formen (Taolu) Unterrichtet, die dem Wissens- und Trainingsstand des Schülers entsprachen. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Faust- und Stockformen, aber auch Speer, Säbel, Schwert und Nine-Section wurden unterrichtet - nur um einige zu nennen - . Hierbei wurde einem nicht nur die Bewegungsabläufe vermittelt, sondern ebenfalls die Anwendungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Was natürlich nicht fehlen durfte waren die abendlichen Sprungeinlagen auf weicherem Untergrund, um eingedrehte Sprungkicks, Fußfeger und den einen oder anderen akrobatik Versuch unbeschadet zu Überstehen. Da jede Verletzung nicht nur schmerzhaft, sondern viel schlimmer noch, einen zum rumsitzen verdonnert - und das ist das letzte was ich in einer Kung Fu Schule tun möchte -. Somit wurden diese Sprung-Abende nicht täglich abgehalten. Einerseits schade, aber da wir die Zeit ziemlich Verletzungsfrei überstanden haben, scheint es mir eine gute Entscheidung gewesen zu sein. (Die meisten Verletzungen entstehen nun mal beim Springen am Abend nach einem kräftezehrenden Trainingstag.)
Rückblickend kann ich mich auf folgen täglichen Tagesablauf beschränken, ohne fürchten zu müssen etwas auszulassen: Schlafen, Essen, Training, Essen, Schlafen, Training, Essen, Training, Essen, Schlafen und dazwischen immer mal wieder ein kleines Eis-chen.
Alle Anstrengung gipfelte schlussendlich in einer Art Abschlussprüfung, in der wir unser gelerntes unter den kritischen Augen von Shifu und allen Jiaolian's vorführen durften (mussten). Zum Glück wurden diese Prüfungszeiten so gelegt, dass diese genau in die Pause der anderen Schulen fiel. Dadurch wurde unsere geheime Hoffnung unsere Prüfung in aller Stille ablegen zu können, ad Acta gelegt. So hatten gefühlte 4.000 chinesische Schüler die Gelegenheit uns anzufeuern und unsere "kleine" Prüfung mit einer Geräuschkulisse zu untermalen, die einer Handball-Trommlergruppe in nichts nachstehen würde. Lustig war's allemal und wenn nicht für uns, denn zumindest für unsere Fan's. :)
Im Schnitt kann ich sagen, dass wir alle mindestens drei Formen unterschiedlichster Art (Von Waffen- über Faust- bis Tierformen) mitgenommen haben und die Prüfung erfolgreich abschließen konnten.
Nach dieser aufregenden Zeit ...
sind nicht nur unsere Speicherkarten der Kameras bis zum bersten mit Fotos und Videos gefüllt, sondern haben es geschafft ein paar unvergessliche Wochen miteinander am Fuße des Song Shan-Gebirges, in Zentral-China zu verleben. Und so entließ uns ein etwas zerknirschter Shifu - wir sind als kleine Trainingsgruppe doch stark zusammengewachsen - an einem verregneten Morgen (der erste seit dem wir angekommen sind!!) mit den Worten, "Ihr habt hier immer einen Platz und wir sehen uns bald wieder!" in Richtung Hong Kong.
In dieser Richtung das Land zu verlassen schien uns am sinnvollsten. Schließlich haben wir uns eine kleine Entspannung an den Stränden von Lantau-Island verdient, zumindest für ein zwei Tage, um unsere geschunden und schmerzenden Körper ansatzweise wieder in Richtung Alltag zu manövrieren.