Wie ist das Leben in einer Kungfu-Schule in China?
Nach wiederholten Nachfragen von meinem Shifu, der schon ungeduldig auf meinen Bericht über das Training und Leben hier im Xiao Long Shaolin Trainings Centre wartet, hier nun eine kurzer Erfahrungsbericht.
Ich (Peter Geedicke) habe hier im Zhengzhou Xiao Long Wu Yuan 6 Monate, von fieser Hitze bis Affenkälte, trainiert. Man kann also sagen, dass ich so ziemlich alle Wettereigenschaften, die das tägliche Training beeinflussen, erlebt habe, (inklusive einer Woche Hochwasser, ca. 20 Zentimeter.) wobei der Winter mit Schnee und Kälte das schlimmste ist. Man friert immer!!
Zum Training :
Das normale Training, mit Trainer, geht so um die 6 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche. Man kann es aber durch eigenes Training am Abend oder anstatt in der langen 2 stündigen Mittagspause auszuruhen, ausdehnen auf ca. 8 Stunden.
Trainiert wird nur in Ausländergruppen zu ungefähr 6 Personen.
So kann das Training besser auf jeden einzelnen eingestellt werden.
Morgens gegen 6 - 7:30 Uhr beginnt die erste Trainingseinheit, dann Frühstückspause bis 9:20 Uhr. Die zweite Trainingseinheit endet dann um 11:30 Uhr, die anschließende Mittagspause endet so um 14 Uhr und das dritte Training ist um 17:30 Uhr überstanden.
Abendessen bis um 18:30 Uhr und hinterher noch mal ein Stündchen bis 19:40 Uhr Abendtraining.
Trainiert werden alle arten von Wushu (Kungfu) Kicks, Sprünge, Punches, Schläge, Akrobatik und alle möglichen Bewegungsabläufe die man aus den Martial-Arts Filmen her schon mal gesehen hat. Zusätzlich kommt jeden Monat eine neue Waffen- oder Faustform dazu. (z.B. Stock, Säbel, Schwert, Speer, 9-Glieder-Peitsche, Tiger-, Adler-, Shaolin-, Wushu-Form, Südfaust, ...).
2 mal die Woche steht dann auch Sanda, die chinesische Form des Kickboxens auf dem Stundenplan. Das ist eigentlich die einzige Gelegenheit, um wirklich mit den Fäusten und Füssen aufeinander, oder den Sandsack, loszugehen. außerdem wird auch 2 mal die Woche Taiji unterrichtet. Ok, auch hier hat man manchmal die Möglichkeit, sich im Taiji-Fight mit den anderen zu messen. allerdings sollte man schon etwas länger dabei sein, da es hier leicht zu Verletzungen kommen kann.
Hier im Xiao Long Wu Yuan wird momentan nur der Taiji-Chen-Stil unterrichtet, das aber ausgezeichnet.
Mit viel Abwechslung wie Pushhands, verschiedenen Taiji-Faust-, Schwert-, Säbel- und Speer-Formen wird einem hier nicht langweilig. Zu lernen gibt es jedenfalls genug.
Die Unterbringung, ist mit 2 Mann-Zimmern, Klimaanlage und eigenem Bad (inkl. immer kaltem Wasser) recht spartanisch, aber im Vergleich zu den Zimmern der chinesischen Mitstudenten luxuriös. Warmes Wasser kann man hier in der Schule auch an einem extra Boiler bekommen und öffentliche Massenduschen sind auch vorhanden. Es könnte also alles viel schlimmer sein, eventuell auf einem Berg ohne alles in einem alten zugigen Kloster in völliger Abgeschiedenheit.
Diejenigen, die so etwas brauchen und suchen, werden hier nicht glücklich werden.
Die Schule befindet sich am Stadtrand der 6 Millionenstadt Zhengzhou. Sie ist zwar umgeben von Unmengen Reis- und Lotusfeldern und bis zur Stadtmitte sind es mit dem Taxi ca. 20 Minuten, aber dennoch ist das leben rund herum recht mittelalterlich und sehr provinziell im Vergleich zu Beijing und Shanghai eine ganz andere Welt.
Freizeit :
Frei ist jeder Sonntag und Donnerstag Vormittag (das 2. Training).
In dieser Zeit kann man einfach nur nichts machen und relaxen oder in die Stadt fahren um das chinesische Stadtleben zu erkunden oder schnell bei MacDonalds und Pizza-Company einen Bissen westliches Essen zu sich zu nehmen, je nach was einem gerade ist.
Von der Schule aus wird fast monatlich ein Ausflug (alle Ausländer zusammen) organisiert. (naja, meistens gut organisiert).
Ich war in dieser Zeit ein paar mal in Shaolin (Dengfeng), den Tempel und den Pagodenwald anschauen. In Kaifeng, die nächst grössere Stadt, einen Freizeitpark und einen Tempel besichtigen und in Luoyang bei den Longmen-Grotten.
Die Ausflüge dauerten immer einen Tag und waren wie Klassenfahrten d.h. viel Spass und eine willkommene Abwechslung zum harten Trainingsalltag.
Fazit :
Alles in allem verging meine Zeit hier wie im Fluge.
Ich habe Sachen gelernt, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich so was machen kann. (Rückwärtssalto aus dem Stand, eine Nadel durch Glas schmeißen und viele viele andere wunderbare Dinge).
Die Shifus sind bemüht, dir alle möglichen Sachen beizubringen, und natürlich hatte ich auch einen Haupt-Shifu, mit dem ich die meiste Zeit des Tages verbracht hatte. Das Verhältnis ist während des Trainings angespannt und man versteht keinen Spass, allerdings albert man danach um so mehr rum.
Da eigentlich alle Shifus mehr oder weniger gut englisch sprechen, ist die Verständigung auch nicht problematisch. wenn man aber der chinesischen Sprache mächtig ist, fällt einem die Kommunikation natürlich leichter.
Außerdem wird man automatisch, als eine Art Übersetzer an so ziemlich jeden ausgeliehen der Hilfe braucht oder sich nicht selbst den Chinesen verständlich machen kann (... ist schon toll überall gebraucht zu werden, kann allerdings manchmal auch ganz schön anstrengend sein...).
Nunja, abschließend bleibt nur zu sagen, wenn ich jemals wieder soviel Zeit und Geld übrig habe, komme ich wieder.
Aber erst mal aus dem Reich der Mitte zurück ins Land der begrenzten Möglichkeiten.